Der Fall:
Eine leitende MPA schilderte ihren Fall:
«Unser Praxisteam ist von drei auffälligen Persönlichkeitstypen geprägt. Eine Person stellt sich immer in den Mittelpunkt, die andere hat ein tiefes Selbstvertrauen und nimmt jegliche Art von Feedback als persönliche Kritik wahr. Die dritte Person ist eine egozentrische Persönlichkeit, die jede Möglichkeit nutzt, um sich zu profilieren. Die Unterschiedlichkeiten und Eigenarten bringen Unruhe ins Team und stellen mich als Führungskraft vor grosse Herausforderungen. Wie kann ich die Zusammenarbeit in Zukunft so fördern, dass wir als Team an Stärke gewinnen?»
Erste Analyse: Wenn man die Zusammenarbeit mit verschiedenen Persönlichkeiten fördern möchte, ist es unumgänglich, die Verhaltensmuster der unterschiedlichen Persönlichkeiten zu verstehen und Möglichkeiten für den Umgang durchzuspielen. Hier geht es um die drei folgenden Typen: 1) die Dramaqueen, 2) die Übersensible und 3) die Narzisstin.
Vorgehensweise im Coaching: In einem Führungscoaching schilderte mir die leitende MPA typische Situationen mit den unterschiedlichen Persönlichkeitstypen ihres Teams. Sie betonte, wie wichtig ihr eine gute Zusammenarbeit ist, gerade weil sie jede einzelne der Kolleginnen sehr schätze. In einem ersten Schritt war es wichtig, die drei Persönlichkeitstypen generell und personenunabhängig beim Namen zu nennen und zu charakterisieren: 1) die Dramaqueen, 2) die Übersensible und 3) die Narzisstin.
In einem zweiten Schritt wurden die Fragen «Was zeichnet diesen Persönlichkeitstypus aus?», «Was funktioniert gut im Umgang und bewirkt positive, funktionale Reaktionen?» und «Was funktioniert gar nicht und bewirkt negative, dys- funktionale Reaktionen?» bearbeitet:
- Für jeden Persönlichkeitstyp wurde ein funktionaler und dysfunktionaler Umgang besprochen, mit Reaktionsmöglichkeiten, die das Verhalten positiv oder negativ verstärken würden.
- Durch diese Gegenüberstellung wurde der leitenden MPA bewusst, welche Verhaltensweise sich produktiv und kontraproduktiv auf die einzelnen Persönlichkeiten auswirkt und was förderlich oder hemmend in der Zusammenarbeit ist.
- Es gelang der MPA, verschiedene Szenarien und Möglichkeiten des Alltags durchzuspielen. So konnte sie erkennen, wie sie auf das Verhalten und die Ergebnisse gezielt Einfluss nehmen kann.
- Mit Rollenspielen erprobten wir die ausgearbeiteten Verhaltensweisen. Dadurch hat die leitende MPA Sicherheit im Auftreten erhalten.
Ergebnisse:
- Die leitende MPA hat im Führungscoaching die drei Persönlichkeitstypen charakterisiert.
- Sie konnte ein Bewusstsein für den funktionalen und dysfunktionalen Umgang mit den einzelnen Persönlichkeitstypen schaffen.
- Sie kam zur Erkenntnis, dass sie die Personen nicht ändern, sondern versuchen kann, auf das Verhalten positiv Einfluss zu nehmen.
- Die MPA entdeckte für sich, dass jede Alltagssituation ein Lernfeld für die Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit ist.
Transfer in den Praxisalltag: Die MPA übersetzte die Erkenntnisse aus dem Führungscoaching in ihren Alltag. Als hilfreich hatte sich erwiesen, die Persönlichkeitstypen, deren Merkmale und funktionale Reaktionen in einer Tabelle zusammenzufassen:
Am Anfang fühlte sich die MPA etwas unsicher. Die Tabelle gab ihr allerdings Sicherheit. Je bewusster ihr der Umgang mit den unterschiedlichen Persönlichkeitstypen wurde, desto besser funktionierte die Zusammenarbeit im Team. Hinzu kam, dass im Team offen kommuniziert wurde, wer wie funktionierte und wer was brauchte, um gut zusammenzuarbeiten. Jeder Persönlichkeit wurde dadurch Raum und Zeit für die «Eigenarten» zugestanden, allerdings konnten durch die Gruppe neue Dynamiken und Formen der Zusammenarbeit entstehen, was sich als Gewinn herausstellte.
Fazit:
«Wir können die einzelnen Persönlichkeiten nicht ändern. Es ist aber durchaus möglich, auf typische Verhaltensmuster Einfluss zu nehmen, um eine bessere Zusammenarbeit im ganzen Team zu erreichen», stellte die leitende MPA nach dem Coaching fest.
Fragen zum Fall an Sandra Limacher
Was ist in der Kommunikation mit diesen drei Persönlichkeitstypen zu beachten?
Wichtig ist, dass man weiss, mit wem man es beim Gegenüber zu tun hat. Bei der Dramaqueen sollte man den Fokus auf Fakten legen und die Person als verantwortungsbewusste Erwachsene behandeln. Bei übersensiblen Personen ist ratsam, das Selbstwertgefühl mit einer Herausforderung zu steigern, die das Potenzial bekräftigt. Zudem braucht sie Pausen und Erholungsphasen, um neue Kraft zu schöpfen. Mit Narzissten arbeitet man am besten mit Komplimenten und kann dann massvoll auch Kritik anbringen. Dabei sind gute Argumente, klare Standpunkte, Abstand und Grenzen für einen konstruktiven Umgang förderlich.
Inwiefern erleichtert diese Charakterisierung die Arbeit der leitenden MPA?
Ist man sich nicht bewusst, mit welchem Persönlichkeitstyp man zu tun hat, kann der falsche Umgang zu Konfronta-tionen und Kon ikten führen. Das macht die Zusammenarbeit dann noch schwieriger. Deshalb sind ein subtiles, geschicktes Vorgehen und eine passende Kommunikation seitens der Führungskraft angebracht. Das ist herausfordernd für die leitende MPA, aber durchaus machbar. Wichtig hierbei ist die Erkenntnis, dass man Personen nichtändern kann. Es sollte deshalb versucht werden, auf das Verhalten Einfluss zu nehmen, um eine bessere Zusammenarbeit und höhere Produktivität zu erzielen.
Was hat Sie in der Zusammenarbeit mit der leitenden MPA beeindruckt?
Die leitende MPA hat für sich zwei Methoden zur Optimierung im Umgang mit den unterschiedlichen Persönlichkeitsty- pen entwickelt. Erstens hat sie mit einer Tabelle eine Übersicht zusammengestellt, die das Wesentliche für die Typen- beschreibung auf den Punkt bringt. Zusätzlich analysiert sie regelmässig, was gut und was nicht so gut funktioniert. Sie hinterfragt die Gründe und überlegt, was sie in Zukunft anders machen möchte. Auf diese Weise hat sie enorme Fortschritte als Führungskraft gemacht, und die Zusammenarbeit im Team hat sich verbessert.
Dieser Artikel wird publiziert im Ärztefachmagazin „Hausarzt Praxis” im Monat Oktober 2018.