Der Fall:
Eine Ärztin schilderte ihre Situation:
«Wir haben eine ziemlich turbulente Praxiszeit hinter uns, mit vielen Wechseln im MPA-Team und der Kündigung von meiner Praxiskollegin. Dies bringt ziemlich Unruhe in die Praxis. Ich habe den Eindruck, mich mehr um meine Angestellten zu kümmern als um meine Patienten. Letzte Woche hat eine Mitarbeiterin bereits in der Probezeit wieder gekündigt. Was kann nun helfen, damit es langfristig ruhiger wird im Team und wir in Zukunft besser zusammenarbeiten?»
Erste Analyse: Hier schienen zwei Problemfelder miteinander zusammenzuhängen: einerseits die sich auflösende Partnerschaft der Ärztinnen und andererseits die Teamarbeit des MPA-Teams. Stringente Führung, die Einigkeit über die Praxis- und Teamführung vermittelt, schafft das notwendige Klima des Vertrauens, in dem eine Teamarbeit erfolgreich möglich ist und die Patienten dies positiv wahrnehmen.
Vorgehensweise im Coaching: Ich schilderte der Ärztin meine Einschätzung des Falles und beobachtete, wie diese auf sie wirkte. Sie erkannte, dass sie bei der Partnerwahl einer Ärztin oder eines Arztes genau darauf achten sollte, dass es ein gemeinsames Verständnis hinsichtlich Praxis- und Teamführung gibt. Das betrifft die Organisation, die Verteilung von Verantwortlichkeiten, die Infrastruktur sowie Werthaltung und Glaubenssätze. Beide Partnerinnen sollten an einem Strang ziehen, um so ein Team erfolgreich zu führen. Es lag nun in der Hand meiner Klientin, einen Anforderungskatalog darüber zu erstellen, was die neue Partnerin mitbringen sollte, und somit Klarheit zu schaffen.
Zur Verbesserung der Team-Zusammenarbeit schlug ich der Ärztin vor, ihr Team beim Erarbeiten von Lösungen einzubeziehen. Aus meiner Erfahrung weiss ich, dass ein Team immer mehr und bessere Lösungen zustande bringt als ein Einzelner. Hinzu kommt, dass die Motivation des Teams für die Zusammenarbeit durch Mitwirkung gefördert wird. Meine Klientin willigte ein, und ich konnte ein Team-Coaching durchführen.
Für das Team-Coaching habe ich die MPAs und Ärztinnen durch einen «Parcours mit Fragen» laufen lassen. Es ging um drei Leitfragen:
- Was läuft gut und soll beibehalten werden?
- Was ist verbesserungswürdig, und gibt es bereits Verbesserungsvorschläge
- Was wurde bereits versucht, um die Situation zu verbessern?
Zunächst wurden Inputs gesammelt und dann miteinander diskutiert. In meiner Rolle als Coach moderierte ich, fragte nach und sorgte dafür, dass alle das Wort ergreifen und ihre Befindlichkeiten einbringen konnten.
Ergebnisse: Starke Emotionen und unterschwellige Konflikte kamen zum Vorschein. Allianzen wurden offensichtlich, ebenso organisatorische Unklarheiten wie die Arbeitsteilung und ein mangelnder Informationsfluss. Die Ursachen wurden vom Praxisteam, das in der Mehrheit aus Teilzeitmitarbeiterinnen bestand, beim Namen genannt: eine inaktive Führung und eine verbesserungswürdige Kommunikation.
Meine Klientin wollte Lösungen für ihre Probleme, und ihr wurde bewusst, dass sie diese mitverursacht hatte. Dies ist emotional nicht so leicht zu verkraften. Der Parcours hat die Kraft der Teamarbeit hervorgehoben, und meine Klientin hat sich von ihrem Team unterstützt gefühlt. Sie hat gemerkt, dass das Team gemeinsam an Lösungen mitwirken wollte. Das war eine positive Erfahrung und eine wichtige Erkenntnis für eine Veränderung, und zwar sowohl für sie als Chefin als auch für das Team.
Transfer in den Praxisalltag: Das Team hat gemeinsame Ziele definiert und Massnahmen für den Praxisalltag schriftlich festgehalten. In diesem Zusammenhang ist das Commitment jedes einzelnen Teammitglieds sehr wichtig. Nur so können die festgelegten Massnahmen fruchten, es entsteht eine Kultur des Vertrauens und ein Wir-Gefühl. Die konkret vereinbarten Ziele umfassen nun die aktive Führung durch die Praxisinhaberin und Partnerin und die offene, transparente Kommunikation als wichtigstes Führungsinstrument. Die entsprechenden Massnahmen liegen auf der Hand:
- Die Praxisinhaberin übernimmt aktiv die Führung, klärt Regeln, Rollen und Verantwortlichkeiten, hält diese schriftlich fest und kommuniziert sie im Praxisteam.
- Einmal wöchentlich findet eine MPA-Sitzung statt, alle zwei Wochen bespricht sich das gesamte Praxisteam.
- Die Stimmung im Team wird jede Woche mit einem Stimmungsbarometer (Skala 1 – 10) abgefragt. 1 stellt den schlechtesten und 10 den besten Zustand dar. Alle Teammitglieder setzen auf der Skala einen Punkt. Das Stimmungsbarometer ist ein effektives Tool, um die Stimmung in der Praxis zu messen, die Entwicklung im Laufe der Zeit zu beobachten und schrittweise zu verbessern.
- Zudem wird abgefragt: Was läuft gut? Was ist verbesserungswürdig? Auf diese Weise sollen Probleme und Konflikte offen angesprochen und gelöst werden. Bei der Einstellung von neuen Mitarbeitenden wird das Team befragt, worauf es ankommt und was in den Anforderungskatalog soll. Das Team hat bei der Anstellung ein Mitspracherecht.
Fazit: Es lohnt sich immer, das Team einzubeziehen und einen offenen Austausch zu unterstützen. Nur so kommen für alle Praxismitglieder die besten Lösungen heraus. Gleichzeitig wird man als Chefin entlastet und nicht zuletzt strahlt eine konfliktfreie, vertrauensvolle Arbeitsatmosphäre auch auf eine positive Patientenerfahrung aus.
Wie funktioniert ein «Kommunikations-Parcours mit Fragen»?
Wichtige Fragestellungen für die Verbesserung der Teamarbeit stehen im Fokus und werden thematisiert. Jedes Teammitglied durchläuft verschiedene Posten und wird dabei mit Fragestellungen zur Teamkommunikation, Zusammenarbeit, Motivation, Arbeitsteilung, Führung und Bereitschaft zur Veränderung konfrontiert. Jeder wird eingeladen, Stellung zu beziehen und seine Meinung mitzuteilen. Zur Bewertung von Zuständen eignet sich eine Skala (1 = gar nicht wichtig, 10 = sehr wichtig) sehr gut. Hierzu ein paar Beispiele:
- Was läuft gut in der Kommunikation und soll beibehalten werden?
- Wie bewertest du die Kommunikation im Team auf Skala von 1 bis 10?
- Hast du Ideen, wie die Kommunikation verbessert werden kann?
- Was kannst du zur Verbesserung beisteuern?
- Wie beschreibst du das Team als Metapher?
Was ist der Vorteil einer solchen Übung?
Die Motivation aller Teammitglieder für eine bessere Zusammenarbeit wird enorm gefördert. Man kann feststellen, wo das Team steht, welche Ideen und Bereitschaft zur Veränderung vorhanden sind und wie diese gemeinsam angegangen werden können. Der Dialog ermöglicht mehr Selbstreflexion, die Sichtweisen der anderen Teammitglieder werden besser verstanden und können in einen besseren Einklang mit dem eigenen Wirken gebracht werden. Das Arbeiten Hand in Hand wird verbessert.
Haben Sie einen Tipp, in welcher Form Rollen und Verantwortlichkeiten möglichst einfach dokumentiert und kommuniziert werden können?
Ein gemeinsam erstelltes Dokument hält am besten fest, wer welche Rollen und Verantwortlichkeiten hat und was wichtig für die Zusammenarbeit ist. Jedes Teammitglied soll darin erkennen, dass es etwas zur guten Teamarbeit und zum Erfolg der Praxis beitragen kann. Ich empfehle meinen Klienten, ein gemeinsames Poster oder einen physischen Ordner zu erstellen, in dem alle wichtigen Punkte gut verständlich festgehalten werden. So kann man in Teammeetings laufend an Verbesserungen arbeiten.
Dieser Artikel wird publiziert im Ärztefachmagazin „Hausarzt Praxis“ im September 2018.
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