Coachingfall aus der Arztpraxis: Wie können wir die hohe Fluktation in Zukunft vermeiden und besser zusammenarbeiten?

Coachingfall aus der Arztpraxis: Wie können wir die hohe Fluktation in Zukunft vermeiden und besser zusammenarbeiten?

Coachingfall aus der Arztpraxis: Wie können wir die hohe Fluktation in Zukunft vermeiden und besser zusammenarbeiten? 1440 609 Sandra Limacher

Der Fall:

Eine Ärztin schilderte ihre Sit­u­a­tion:

«Wir haben eine ziem­lich tur­bu­lente Prax­iszeit hin­ter uns, mit vie­len Wech­seln im MPA-Team und der Kündi­gung von mein­er Praxiskol­le­gin. Dies bringt ziem­lich Unruhe in die Prax­is. Ich habe den Ein­druck, mich mehr um meine Angestell­ten zu küm­mern als um meine Patien­ten. Let­zte Woche hat eine Mitar­bei­t­erin bere­its in der Probezeit wieder gekündigt. Was kann nun helfen, damit es langfristig ruhiger wird im Team und wir in Zukun­ft bess­er zusam­me­nar­beit­en?»

Erste Analyse: Hier schienen zwei Prob­lem­felder miteinan­der zusam­men­zuhän­gen: ein­er­seits die sich auflösende Part­ner­schaft der Ärztin­nen und ander­er­seits die Tea­mar­beit des MPA-Teams. Strin­gente Führung, die Einigkeit über die Prax­is- und Team­führung ver­mit­telt, schafft das notwendi­ge Kli­ma des Ver­trauens, in dem eine Tea­mar­beit erfol­gre­ich möglich ist und die Patien­ten dies pos­i­tiv wahrnehmen.

Vorge­hensweise im Coach­ing: Ich schilderte der Ärztin meine Ein­schätzung des Fall­es und beobachtete, wie diese auf sie wirk­te. Sie erkan­nte, dass sie bei der Part­ner­wahl ein­er Ärztin oder eines Arztes genau darauf acht­en sollte, dass es ein gemein­sames Ver­ständ­nis hin­sichtlich Prax­is- und Team­führung gibt. Das bet­rifft die Organ­i­sa­tion, die Verteilung von Ver­ant­wortlichkeit­en, die Infra­struk­tur sowie Werthal­tung und Glaubenssätze. Bei­de Part­ner­in­nen soll­ten an einem Strang ziehen, um so ein Team erfol­gre­ich zu führen. Es lag nun in der Hand mein­er Kli­entin, einen Anforderungskat­a­log darüber zu erstellen, was die neue Part­ner­in mit­brin­gen sollte, und somit Klarheit zu schaf­fen.

Zur Verbesserung der Team-Zusam­me­nar­beit schlug ich der Ärztin vor, ihr Team beim Erar­beit­en von Lösun­gen einzubeziehen. Aus mein­er Erfahrung weiss ich, dass ein Team immer mehr und bessere Lösun­gen zus­tande bringt als ein Einzel­ner. Hinzu kommt, dass die Moti­va­tion des Teams für die Zusam­me­nar­beit durch Mitwirkung gefördert wird. Meine Kli­entin willigte ein, und ich kon­nte ein Team-Coach­ing durch­führen.

Für das Team-Coach­ing habe ich die MPAs und Ärztin­nen durch einen «Par­cours mit Fra­gen» laufen lassen. Es ging um drei Leit­fra­gen:

  • Was läuft gut und soll beibehal­ten wer­den?
  • Was ist verbesserungswürdig, und gibt es bere­its Verbesserungsvorschläge
  • Was wurde bere­its ver­sucht, um die Sit­u­a­tion zu verbessern?

Zunächst wur­den Inputs gesam­melt und dann miteinan­der disku­tiert. In mein­er Rolle als Coach mod­erierte ich, fragte nach und sorgte dafür, dass alle das Wort ergreifen und ihre Befind­lichkeit­en ein­brin­gen kon­nten.

Ergeb­nisse: Starke Emo­tio­nen und unter­schwellige Kon­flik­te kamen zum Vorschein. Allianzen wur­den offen­sichtlich, eben­so organ­isatorische Unklarheit­en wie die Arbeit­steilung und ein man­gel­nder Infor­ma­tions­fluss. Die Ursachen wur­den vom Prax­is­team, das in der Mehrheit aus Teilzeit­mi­tar­bei­t­erin­nen bestand, beim Namen genan­nt: eine inak­tive Führung und eine verbesserungswürdi­ge Kom­mu­nika­tion.

Meine Kli­entin wollte Lösun­gen für ihre Prob­leme, und ihr wurde bewusst, dass sie diese mitverur­sacht hat­te. Dies ist emo­tion­al nicht so leicht zu verkraften. Der Par­cours hat die Kraft der Tea­mar­beit her­vorge­hoben, und meine Kli­entin hat sich von ihrem Team unter­stützt gefühlt. Sie hat gemerkt, dass das Team gemein­sam an Lösun­gen mitwirken wollte. Das war eine pos­i­tive Erfahrung und eine wichtige Erken­nt­nis für eine Verän­derung, und zwar sowohl für sie als Chefin als auch für das Team.

Trans­fer in den Prax­isall­t­ag: Das Team hat gemein­same Ziele definiert und Mass­nah­men für den Prax­isall­t­ag schriftlich fest­ge­hal­ten. In diesem Zusam­men­hang ist das Com­mit­ment jedes einzel­nen Team­mit­glieds sehr wichtig. Nur so kön­nen die fest­gelegten Mass­nah­men frucht­en, es entste­ht eine Kul­tur des Ver­trauens und ein Wir-Gefühl. Die konkret vere­in­barten Ziele umfassen nun die aktive Führung durch die Prax­is­in­hab­erin und Part­ner­in und die offene, trans­par­ente Kom­mu­nika­tion als wichtig­stes Führungsin­stru­ment. Die entsprechen­den Mass­nah­men liegen auf der Hand:

  • Die Prax­is­in­hab­erin übern­immt aktiv die Führung, klärt Regeln, Rollen und Ver­ant­wortlichkeit­en, hält diese schriftlich fest und kom­mu­niziert sie im Prax­is­team.
  • Ein­mal wöchentlich find­et eine MPA-Sitzung statt, alle zwei Wochen bespricht sich das gesamte Prax­is­team.
  • Die Stim­mung im Team wird jede Woche mit einem Stim­mungs­barom­e­ter (Skala 1 – 10) abge­fragt. 1 stellt den schlecht­esten und 10 den besten Zus­tand dar. Alle Team­mit­glieder set­zen auf der Skala einen Punkt. Das Stim­mungs­barom­e­ter ist ein effek­tives Tool, um die Stim­mung in der Prax­is zu messen, die Entwick­lung im Laufe der Zeit zu beobacht­en und schrit­tweise zu verbessern.
  • Zudem wird abge­fragt: Was läuft gut? Was ist verbesserungswürdig? Auf diese Weise sollen Prob­leme und Kon­flik­te offen ange­sprochen und gelöst wer­den. Bei der Ein­stel­lung von neuen Mitar­bei­t­en­den wird das Team befragt, worauf es ankommt und was in den Anforderungskat­a­log soll. Das Team hat bei der Anstel­lung ein Mit­spracherecht.

Faz­it: Es lohnt sich immer, das Team einzubeziehen und einen offe­nen Aus­tausch zu unter­stützen. Nur so kom­men für alle Prax­is­mit­glieder die besten Lösun­gen her­aus. Gle­ichzeit­ig wird man als Chefin ent­lastet und nicht zulet­zt strahlt eine kon­flik­t­freie, ver­trauensvolle Arbeit­sat­mo­sphäre auch auf eine pos­i­tive Patien­ten­er­fahrung aus.

Wie funktioniert ein «Kommunikations-Parcours mit Fragen»?

Wichtige Fragestel­lun­gen für die Verbesserung der Tea­mar­beit ste­hen im Fokus und wer­den the­ma­tisiert. Jedes Team­mit­glied durch­läuft ver­schiedene Posten und wird dabei mit Fragestel­lun­gen zur Teamkom­mu­nika­tion, Zusam­me­nar­beit, Moti­va­tion, Arbeit­steilung, Führung und Bere­itschaft zur Verän­derung kon­fron­tiert. Jed­er wird ein­ge­laden, Stel­lung zu beziehen und seine Mei­n­ung mitzuteilen. Zur Bew­er­tung von Zustän­den eignet sich eine Skala (1 = gar nicht wichtig, 10 = sehr wichtig) sehr gut. Hierzu ein paar Beispiele:

  • Was läuft gut in der Kom­mu­nika­tion und soll beibehal­ten wer­den?
  • Wie bew­ertest du die Kom­mu­nika­tion im Team auf Skala von 1 bis 10?
  • Hast du Ideen, wie die Kom­mu­nika­tion verbessert wer­den kann?
  • Was kannst du zur Verbesserung beis­teuern?
  • Wie beschreib­st du das Team als Meta­pher?

Was ist der Vorteil einer solchen Übung?

Die Moti­va­tion aller Team­mit­glieder für eine bessere Zusam­me­nar­beit wird enorm gefördert. Man kann fest­stellen, wo das Team ste­ht, welche Ideen und Bere­itschaft zur Verän­derung vorhan­den sind und wie diese gemein­sam ange­gan­gen wer­den kön­nen. Der Dia­log ermöglicht mehr Selb­stre­flex­ion, die Sichtweisen der anderen Team­mit­glieder wer­den bess­er ver­standen und kön­nen in einen besseren Ein­klang mit dem eige­nen Wirken gebracht wer­den. Das Arbeit­en Hand in Hand wird verbessert.

Haben Sie einen Tipp, in welcher Form Rollen und Verantwortlichkeiten möglichst einfach dokumentiert und kommuniziert werden können?

Ein gemein­sam erstelltes Doku­ment hält am besten fest, wer welche Rollen und Ver­ant­wortlichkeit­en hat und was wichtig für die Zusam­me­nar­beit ist. Jedes Team­mit­glied soll darin erken­nen, dass es etwas zur guten Tea­mar­beit und zum Erfolg der Prax­is beitra­gen kann. Ich empfehle meinen Klien­ten, ein gemein­sames Poster oder einen physis­chen Ord­ner zu erstellen, in dem alle wichti­gen Punk­te gut ver­ständlich fest­ge­hal­ten wer­den. So kann man in Team­meet­ings laufend an Verbesserun­gen arbeit­en.

Dieser Artikel wird pub­liziert im Ärztefach­magazin „Hausarzt Prax­is“ im Sep­tem­ber 2018.

Inter­essiert an einem Kom­mu­nika­tions-Par­cour für Ihr Prax­is­team? Hier find­en Sie das Ange­bot.

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